Der Brandbuddy: Ein Werkzeug zur Markenentwicklung

published 08.07.2013 · updated: 05.10.2013 · Irgendwie hat sich die sonderbare Vorstellung durchgesetzt, man könnte mit komplizierten Worten (wie "Substanzwerte" oder "Markenbasis") und einem Styleguide ein Produkt zur Marke machen. So einfach ist das halt doch nicht. Die einzige Macht, die ein Produkt so stark macht, dass es wahrgenommen, gekauft, erinnert, und zu einer Marke wird, ist die Überzeugung, die uns dazu geführt hat, dieses Produkt zu bauen. Eine Haltung der Welt gegenüber, ein Anspruch, eine Forderung etwas ganz Bestimmtes zu verändern oder zu verbessern. Wenn dieser Antrieb fehlt, kann ihn kein Moodboard und keine Markenpyramide ersetzen. Simon Sinek hat es in seinem TED Talk kristallklar beschrieben: "People don’t buy what you do they buy why you do it". Und wir alle können dieses "Warum" immer herausspüren. Kampagnen wie FitchTheHomeless entstehen nicht, weil Marketing, PR oder Produktstrategien versagt haben, sondern weil Menschen fühlen worauf sie abzielen, und ihnen das was sie da erspüren, nicht gefällt.

Ein besseres Vorgehen zur Markenentwicklung

Jede Markenentwicklung und Produktstrategie sollte deshalb mit Sineks Fragen (und von innen nach außen) beginnen:

Drei Fragen für die bessere Produktstrategie
  • Why? = Warum muss sich die Welt verändern? = meine Überzeugung
  • How? = Wie kann ich das erreichen? = Strategien und Wege
  • What? = Was genau muss ich tun? = Produkte und Features

Frage 1: "Warum?" = deine Überzeugung

Einfach und neutral formulieren

Natürlich ist die Überzeugung, die hinter einem Produkt steht, nicht leicht zu fassen oder zu formulieren. Wichtig ist es einfache, neutrale Worte zu finden. Formulierungen wie "Der Verwirklichung eines frei gewählten Bildungs-Ideals dürfen keine räumlichen oder sozialen Grenzen gesetzt werden." sind nicht einfach, werden nicht verstanden und machen es uns schon von Anfang an schwer überhaupt ein "Wie" und "Was" abzuleiten. Alle Substantive, die einer Erklärung bedürfen, sollten, überhaupt vermieden werden. Kindersprache hilft, die richtigen Worte zu finden.

Aggressive Ansprüche schaffen keine Marke

"Mechanismen und Institutionen, die das Wissen der Welt begrenzen, müssen aufgelöst werden." ist auch nicht gut, weil es aggressiv formuliert ist. Aggressive Ansprüche sind deshalb so besonders schlecht, weil sie immer dazu verurteilt sind, zu kurz zu greifen. Was passiert, wenn alle Mechanismen und Institutionen, die Wissen begrenzen, verschwunden sind? Keine Ahnung, aber etwas stabiles Neues (das man ein Produkt nennen könnte) ist dann jedenfalls nicht entstanden.

Beispiel für ein gut formuliertes "Warum?"

"Das Wissen der Welt gehört allen Menschen. Es sollte von allen Menschen gesammelt und ergänzt werden und es sollte für alle Menschen zugänglich sein." Das wäre doch mal ein "Warum", das man versteht und dessen "Wie" und "Was" etwa Großes hervorbringen kann. Wikipedia zum Beispiel. Es ist nicht leicht, aber wer die Überzeugung, die ihn zu seiner Produktidee geführt hat, benennen kann, hat ein unverwüstliches Fundament für sein Produkt, wird eine Marke schaffen und kann diese Marke beschützen, weil er immer wieder herleiten kann, warum sein Produkt Bedeutung hat.

Frage 2: "Wie?" = Strategien und Wege

Wie das "Warum" sollte auch das "Wie" noch losgelöst bleiben von konkreten Produkten. Wie zum Beispiel könnte man dieses "Warum" verwirklichen: "Jedes Lebens ist es wert dokumentiert zu werden. Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, seine Geschichte (in seinen eigenen Worten) zu erzählen, damit wir als Menschheit daraus lernen können." Wieder könnte man ein Internetportal bauen. Am besten mit selbstaufgenommen Videos, die man hochladen kann. Klar, das wäre eine feine Lösung (und es würde sicher auch groß werden), aber wenn man sich damit schon zufriedengibt (und gleich über Funktionen und Features nachdenkt), versperrt man sich andere (vielleicht noch bessere) Lösungen. Also weitersuchen und mindestens fünf Strategien (unbedingt auch offline) aufschreiben, bevor es mit der dritten Frage weiter geht.

Frage 3: "Was?" = Produkte und Features

Jetzt geht es darum konkrete Produkte (= Handlungen) zu benennen. Wenn man das noch nicht richtig kann, macht es nichts. "Biographie-Video-Portal" zum Beispiel ist erst mal völlig ok. Zu jedem Produkt sollte man sich sofort die wichtigsten (drei) Features aufschreiben. Wenn man das schafft, hat man eine konsistente Umsetzung seiner Überzeugung in ein Product Backlog geschafft. Man kennt seine essenziellen Kernfunktionen und kann jede Änderung am Produkt streng, gegen Überzeugung und Strategie prüfen. Genau das ist es, was eine Produktstrategie leisten muss. Wer seine Features, aus seinem Wunsch, etwas ganz Bestimmtes zu verändern, herleiten kann, wird ein Produkt erschaffen, dass wahrgenommen, gekauft, erinnert, und zu einer Marke werden wird.

Design ist nicht gleich Markenidentität

Über Sineks drei Fragen haben wir jetzt alles über unser Produkt gelernt, aber noch nicht einmal über CI, Stylevorgaben und Design gesprochen. Das kann doch gar nicht sein, schließlich bildet doch das Design die Markenidentität. Im Gegenteil! Wer sein "Warum" nicht kennt, ruft oft das Design zu Hilfe. Dann soll ein Produkt über die Aneinanderreihung von Adjektiven (wie "wertig", "frisch" und "zeitlos") und die Auswahl von Schriften und Farben in der Welt verankert werden. Aber ein CI ist nicht mehr als eine Fahne, die jemand trägt, der sein Ziel kennt. Wenn wir spüren, dass unser Fahnenträger sein Ziel nicht kennt, oder wenn uns sein Ziel (seine Überzeugung, Haltung und sein Anspruch) nicht gefällt, dann werden wir auch seiner Fahne nicht folgen.

Tata! Der Brandbuddy

Der Brandbuddy

Um dieses Vorgehen konkret zu machen, hab ich mir den (oben gezeigten) "Brandbuddy" ausgedacht. Mit seiner putzigen Unterstützung kann man Sineks drei Fragen abarbeiten und dokumentieren. Wie geht das? Ihr ladet Euch hier den Brandbuddy in A4 oder in A3 herunter und druckt ihn aus. Dann entwickelt Ihr Eure Produkt-Strategie, indem Ihr, die Fragen des Brandbuddy, von innen nach außen, beantwortet. Auf seinen Bauch schreibt Ihr Euren Anspruch, auf jeden Arm eine Methode. Jede Hand wird ein Produkt und die Finger dieser Hand, beschreiben die wichtigsten Features dieses Produktes. Es ist nicht immer einfach, aber es funktioniert.

Der Autor :

Mein Name ist Stefan Weiss. Seit 2002 entwickle und optimiere ich CMS-basierte high-performance Portale und Online Produkte. In dieser Zeit habe ich viele Aspekte der Online Produktentwicklung kennengelernt. Ich lebe und arbeite in München. In meinem UX Blog schreibe ich über die Online Produktentwicklung mit Schwerpunkten auf Design, Informationsarchitektur und Online Werbung.